Pharmaunternehmen gehen systematisch vor, um Armen neue Medikamente schnell zugänglich zu machen
Pharmaunternehmen können mit Vorausplanung während der klinischen Entwicklung den Zugang zu neuen Medikamenten in ärmeren Ländern beschleunigen
Novartis war das erste Unternehmen, das eine systematische Zugangsplanung entwickelt hat. AstraZeneca, GSK, Johnson & Johnson, Merck KGaA, Pfizer, Sanofi und Takeda entwickeln diese nun ebenfalls.
Nicht alle F&E-Projekte in der Spätphase werden durch einen Zugangsplan unterstützt. 155 von 394 Projekten haben einen Zugangsplan.
Produkte, die bereits auf dem Markt sind, werden bei den Bemühungen um eine Verbesserung des Zugangs weitgehend übersehen.
Während die Forschung und Entwicklung für COVID-19 zugenommen hat, bleiben die F&E-Pipelines für andere Krankheitserreger, die ein Pandemierisiko darstellen, leer.
Im Index 2021 nimmt GlaxoSmithKline (GSK) ganz knapp den Spitzenplatz ein.
Amsterdam, Niederlande, 26. Januar 2021 – Ein neuer politischer Ansatz der Pharmaunternehmen könnte die Zeit verkürzen, die Menschen in Ländern mit niedrigerem Einkommen auf neue Medikamente und Impfstoffe normalerweise warten müssen. Das ist dem am Dienstag veröffentlichten Access to Medicine Index 2021 zu entnehmen. Acht führende Pharmaunternehmen beginnen Medikamente, die sich aktuell in Entwicklung befinden, systematisch mit Zugangsplanung zu verbinden. So soll sichergestellt werden, dass diese Produkte in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen gleich nach erfolgreicher Marktfreigabe verfügbar sind.
Vorausplanung während der klinischen Entwicklung kann den Zugang zu neuen Medikamenten in ärmeren Ländern beschleunigen. Zu diesen Zugangsprogrammen gehört beispielsweise die Preisgestaltung, mit der sichergestellt werden soll, dass die Registrierung von Produkten, die in Ländern mit hoher Krankheitslast angeboten werden, erschwinglich ist. Zugangsprogramme können auch Vorab-Lizenzvereinbarungen beinhalten, die es Herstellern ermöglichen, mit der Produktion von Generika zu beginnen.
„Zu viele Menschen haben keinen Zugang zu innovativen Medikamenten und Impfstoffen, die aus F&E-Pipelines stammen. Wir nehmen bei den Pharmaunternehmen eine strategische Verlagerung hin zu systematischen Zugangsprogrammen wahr. Das könnte den Zugang zu Medikamenten radikal verändern – sofern dies zu umfassenden Maßnahmen für alle neuen Produkte führt.“ – Jayasree K. Iyer, Geschäftsführerin der Access to Medicine Foundation
Raum für Verbesserungen
Obwohl sich der systematische Ansatz langsam als Standard durchsetzt, werden noch nicht alle F&E-Projekte in der Spätphase durch einen Zugangsplan unterstützt. Insgesamt weisen 59 Prozent der Kandidaten, die sich mit festgelegten F&E-Prioritäten befassen, solche Ansätze auf. Bei den Kandidaten, die sich auf andere Krankheiten oder Produktlücken fokussieren, sind es nur 31 Prozent. Das Unternehmen mit den meisten Kandidaten, für die Zugangspläne gelten, ist GSK (80 Prozent der bewerteten Projekte), gefolgt von Johnson & Johnson, Pfizer, Novartis und Sanofi.
Ein Beispiel für ein gutes Verfahren zeigt GSK: Dort werden systematisch Zugangsprogramme für alle Projekte entwickelt, sobald die Ergebnisse der klinischen Studien in Phase II positiv sind. Pfizer startet sogar mit der Zugangsplanung für alle Produkte zwei Jahre vor Produkteinführung. Takeda verpflichtet sich im Zugangsprogramm für sein Dengue-Impfstoffprojekt dazu, den Impfstoff in endemischen Dengue-Ländern zu registrieren, außerdem zu freiwilligen Lizenzen und abgestuften Preisstrategien.
Darüber hinaus beschäftigen sich die Unternehmen bei weniger als der Hälfte der von ihnen kontrollierten Produkte, die bereits auf dem Markt sind, mit dem Zugang für Arme. Länder mit geringem Wohlstandsniveau werden dabei regelmäßig übersehen. Nur für 13 Prozent der Arznei, die von einem Arzt verabreicht werden muss (beispielsweise Krebsmedikamente zum Injizieren), gibt es in Ländern mit niedrigem Einkommen Zugangsstrategien. Bei Produkten, die der Patient sich selbst verabreichen kann (hautsächlich Tabletten), sind es 26 Prozent. Nur wenige Menschen in den betroffenen Ländern erhalten Zugang zu Medikamenten mittels dieser Initiativen, die größtenteils gerechte Preisstrategien umfassen.
Pfizer neu unter den besten Fünf
Der Access to Medicine Index ist ein unabhängiges Ranking der zwanzig weltweit führenden Pharmaunternehmen und untersucht deren Maßnahmen, den Zugang zu Medikamenten in 106 Ländern zu verbessern. Pfizer ist 2021 neu unter den besten Fünf, direkt hinter GSK, Novartis und Johnson & Johnson, die die ersten drei Plätze belegen. GSK und Novartis liegen fast gleichauf auf Platz 1. Die vier Top-Unternehmen bilden gemeinsam mit Sanofi (Platz 5), Takeda (6), AstraZeneca (7) und Merck KGaA (8) die acht Unternehmen, die den Takt bei der Zugangsplanung vorgeben. Hat sich 2018 nur ein Unternehmen für systematische Zugangsprogramme engagiert, sind es diesmal bereits 40 Prozent aller Unternehmen im Index.
Obwohl GSK den Index erneut anführt, ist der Vorsprung deutlich geringer als noch im Jahr 2018. Das Unternehmen zeichnet sich besonders durch seinen Fokus auf Forschung und Entwicklung aus. Außerdem ist in der übergeordneten Unternehmensstrategie ein klares Vorgehen in Bezug auf den Zugang zu Medikamenten eingebettet. GSK ist auch bei der Produktlieferung stark. Das schließt Aktivitäten in den Bereichen Preisgestaltung, Lizenzierung, Spenden und Kapazitätsaufbau in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen ein. Novartis schneidet hierbei jedoch noch besser ab. Es ist das einzige Unternehmen im Index, das gerechte Zugangsstrategien für alle analysierten Produkte in Ländern mit niedrigem Einkommen nachweisen kann – einschließlich der Produkte zur Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen. Pfizer hat den größten Schritt gemacht und ist von der unteren Hälfte des Rankings in die Top 5 aufgestiegen. Das hat das Unternehmen seinen großen Bemühungen um Zugangsstrategien, Kapazitätsaufbau sowie Zugangsplanung in der F&E-Phase zu verdanken.
Deutsche Unternehmen im Index
Merck belegt 2021 den achten Platz. Das Unternehmen verfügt über eine der größten F&E-Pipelines für die hochpriorisierten Themen der globalen Gesundheitsgemeinschaft. Merck ist außerdem intensiv an Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung von geistigem Eigentum, einschließlich COVID-19, sowie an Spendenprogrammen beteiligt. Beispielsweise hat sich Merck mit seinem Spendenprogramm für Praziquantel (Cesol®) öffentlich verpflichtet, Bilharziose in allen Ländern südlich der Sahara zu beseitigen.
Boehringer Ingelheim, auf Platz zwölf im Ranking, bemüht sich jetzt noch stärker darum sicherzustellen, dass neue Produkte für Patienten zugänglich und erschwinglich sind. Die Pläne decken nun 89 Prozent der relevanten neuen Projekte in der F&E-Pipeline ab. Das Unternehmen startete auch In Reach Africa – ein neues Programm, das mehrere Initiativen umfasst, die die Gesundheitsversorgung bei nicht übertragbaren Krankheiten stärken sollen.
Bayer verbessert sich 2021 um drei Plätze und steht auf Rang dreizehn. Das Unternehmen verfolgt weiterhin einen starken Ansatz bei der Registrierung und reicht neue Produkte zum Verkauf in Ländern ein, in denen sie am dringendsten benötigt werden. Bayer hat die Patentstatus für seine Produkte veröffentlicht und sich neuerdings verpflichtet, nicht im jedem Land mit niedrigem Einkommen seine Patente durchzusetzen. Um Lieferengpässe zu vermeiden, werden Produktlieferungen gemäß des medizinischen Bedarfs priorisiert. Das funktioniert bereits gut bei Verhütungsmitteln. Bayer arbeitet weiterhin mit der WHO zusammen und spendet Medikamente zur Beseitigung zweier parasitärer Tropenkrankheiten: der Chagas-Krankheit (amerikanische Trypanosomiasis) und der Schlafkrankheit (afrikanische Trypanosomiasis).
F&E 2020 von Krebs und COVID-19 dominiert
Wie im Jahr 2018 stehen eine Handvoll Krankheiten im Mittelpunkt der F&E-Aktivitäten der Pharmaunternehmen. Bei den Infektionskrankheiten liegt das Augenmerk wieder auf HIV/AIDS, Tuberkulose (TB) und Malaria. COVID-19 gehört seit 2020 auch zu dieser Gruppe. Diese Krankheiten machen mehr als die Hälfte der Projekte in der Pipeline für übertragbare Krankheiten aus (198 von 321). Krebsleiden dominieren mit mehr als zwei Dritteln die Pipeline für nicht übertragbare Krankheiten (461 von 663).
Die F&E-Aktivitäten für COVID-19-Patienten wurden während der gesamten Pandemie untersucht. Im Vergleich zum Zeitpunkt vor Beginn der Pandemie zeigt sich im Index, dass das Portfolio an experimentellen Arzneimitteln und Impfstoffen gewachsen ist (von 0 auf 63 Projekte). Das Portfolio bleibt jedoch leer für andere Krankheitserreger, die ebenfalls ein Pandemierisiko darstellen – darunter Ebola, Zika und SARS. Der Index befasst sich mit 16 neu auftretenden Infektionskrankheiten. Für zehn von diesen haben die zwanzig Unternehmen im Index aktuell nichts in der Pipeline.
Der Index 2021 bewertet Unternehmen hinsichtlich ihrer Maßnahmen, den gerechten Zugang zu Produkten auf dem Markt zu verbessern und neue Produkte bereitzustellen. Er umfasst 82 Krankheiten, Krankheitszustände und -erreger, einschließlich oft tödlich verlaufender Erkrankungen wie HIV/AIDS, TB und Malaria, aber auch Infektionen der unteren Atemwege, Durchfallerkrankungen, Gesundheitszustände von Müttern, Krebs und mehr. De weltweite Belastung durch diese Krankheiten verteilt sich zu über achtzig Prozent auf Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Die zwanzig Unternehmen im Index erwirtschaften rund siebzig Prozent des weltweiten Arzneimittelumsatzes und spielen daher eine wichtige Rolle dabei, den gerechten Zugang zu ihren Produkten zu gewährleisten.
- ENDE DER PRESSEMITTEILUNG -
Medienmaterial: Das Gesamtranking, zugehörige Datenpunkte, Grafiken und Zahlen im Bericht (z. B. zu den wichtigsten Ergebnissen) sind auf Anfrage erhältlich.
Über den Access to Medicine Index: Der Access to Medicine Index analysiert zwanzig der größten forschungsbasierten Pharmaunternehmen mit Produkten für besonders schwere Krankheiten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Diese Unternehmen werden in ihren Bemühungen um eine Verbesserung des Zugangs zu Medikamenten in drei Bereichen ihres unternehmerischen Handelns eingestuft. Der Index ermittelt Best Practices, hebt Fortschritte hervor und zeigt auf, wo noch kritische Maßnahmen erforderlich sind. Der Index wird von mehr als 100 Investoren unterstützt, die gemeinsam Vermögenswerte im Wert von mehr als 14 Billionen US-Dollar verwalten. Er wird alle zwei Jahre von der Access to Medicine Foundation veröffentlicht, einer unabhängigen und gemeinnützigen Organisation, die von der britischen Regierung (UK AID), der Bill & Melinda Gates Foundation, dem niederländischen Außenministerium, dem Wellcome Trust und AXA Investment Managers finanziert wird.
Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte: Anna Massey
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E-Mail: amassey@accesstomedicinefoundation.org Website: www.accesstomedicinefoundation.org